„Mein Hund springt immer alle anderen Menschen an.“ Ich glaube, das ist neben „mein Hund zieht immer an der Leine“ eines der dringendsten Probleme, für das meine Kunden eine Lösung suchen. In diesem Beitrag erfährst Du, wie Du es schaffst, Deinem Hund das Anspringen abzugewöhnen.

Warum springt mein Hund mich überhaupt an?

Das Anspringen von Menschen hat seinen Ursprung häufig im infantilen Futterbetteln der Welpen.

Etwa ab der 4. Lebenswochen belecken Welpen die Schnauze der Mutterhündin um sie zu animieren, Futter hervorzuwürgen. Dieses Verhalten wird häufig in Begrüßungssituationen gezeigt und führt manchmal zum Erfolg, weil die Mutter tatsächlich Futter hervorwürgt und manchmal schnappt die Mutterhündin die Welpen auch ab und verjagt sie.[1]

Klettern Welpen also am Menschen hoch und zeigen Leckbewegungen, dann ist das also für unseren Welpen ein relativ normales Verhalten.

Natürlich würgen wir Menschen kein Futter hervor, wenn wir von unserem Hund angesprungen werden. Aber irgendeine Form der Aufmerksamkeit bekommen die Welpen meistens doch. Ganz häufig finden wir es am Anfang nämlich ganz niedlich und bestätigen es durch Streicheleinheiten oder auch nur durch unsere innere „aaaaaah, wie süß“- Stimmung.

Ignorieren: Grundsätzlich ein schlauer Gedanke, der ab häufig nicht zum Ziel führt

Wenn unser Welpe dann älter und größer wird, stellen wir vermehrt fest, dass wir das Anspringen doch nicht mehr so großartig finden und versuchen, es zu unterbinden. Häufig ist dabei die erste Intention, dass wir das Verhalten ignorieren.

Und tatsächlich ist das eine gar nicht so abwegige Idee.

Allerdings müssten wir dann so konsequent sein, dass wir unseren Hund wirklich immer ignorieren, wenn er uns anspringt. Da darf es keine Rolle spielen, dass wir es eilig haben oder dass wir heute den feinen Zwirn tragen. Denn unser Hund würde jegliche Reaktion -also auch Schimpfen- als eine Art Zuwendung auffassen. Ignorieren wir ihn also manchmal und schimpfen ein anderes Mal, wird er lernen, dass steter Tropfen den Stein eben doch den Stein höhlt und er unsere Aufmerksamkeit mit der Anspringerei eben doch erregt, wenn er es nur häufig genug probiert.

Was uns da auf die Füße fällt, ist die partielle Verstärkung

Partielle was? Die partielle (auch intermittierende) Verstärkung führt dazu, dass ein Verhalten ganz besonders stark gefestigt wird. Mit anderen Worten: Wurde eine Verhaltensweise partiell (statt kontinuierlich) verstärkt, dann ist sie ganz besonders löschungsresistent.

Und beim Ignorieren bestätigen wir meist partiell: Weil wir uns nämlich Mühe geben, reißen wir uns dreimal am Riemen und ignorieren das Anspringen. Wenn uns dann aber doch das Anspringen ärgert und wir schimpfen, dann kommt diese (schimpfende) Aufmerksamkeit für unseren Hund überraschend und damit partiell. Und damit mache ich die Verhaltensweise „Anspringen“ besonders löschungsresistent und festige also ich das Anspringen aus Versehen.

Das klingt ein bisschen paradox, nicht wahr? Ist es auch! Deshalb heißt dieser Effekt auch das Humphrey’s Paradox.[2]

Hast Du Deinen Besuch im Griff?

Ein weiterer Stolperstein in Bezug auf die partielle Verstärkung können aber auch andere Menschen sein. Nehmen wir mal an, es gelingt uns, dass wir das Anspringen unseres Hundes komplett ignorieren. Und dann kommt aber Oma zu Besuch. Die Oma, die Hunde schon immer geliebt hat. Ich weiß nicht, ob Du Deine Oma im Griff hast – bei meiner ist Hopfen und Malz verloren 😉. Freut sich also Oma über den Hund und animiert ihn in freudiger Stimmung wieder zum Anspringen, hat unser Hund wieder überraschenden, partiellen Erfolg und das unerwünschte Verhalten festigt sich.

Deckenkommando beibringen

Für das Problem mit den unkontrollierbaren Besuchern empfehle ich immer gerne, zunächst ein gutes Deckenkommando beizubringen. Denn die Diskussion mit Besuchern läuft doch meistens so ab:

„Ring, ring“ – es klingelt an der Türe

Hundehalter: „Ich öffne jetzt die Türe, aber biiiitttte, ignoriert den Bello“

Besucher: „Hallo Bell…ach ich darf Dir ja nicht hallo sagen“. Und dann wird Bello eben doch getätschelt und hat eine Chance, am Besuch hochzuspringen.

Wahrscheinlich kennst Du solche Szenen zur Genüge.

Mit einem guten Deckenkommando lernt Dein Hund so lange auf seiner Decke zu bleiben, bis Du ihn dort abholst.

Der Vorteil ist, dass DU dann entscheidest, ob und wann Dein Hund den Besuch begrüßen darf. Die Stimmung ist nämlich meist nach ein paar Minuten schon wieder etwas neutraler und weniger kreischig/freudig erregt.

Dann fällt es Deinem Hund viel leichter, den Besuch angemessen zu begrüßen und auch Du hattest Zeit, Deinen Besuch in Ruhe darauf hinzuweisen, dass Ihr im Training seid und wie eine echte Unterstützung aussehen kann.

Dem Hund vermitteln, dass Anspringen unerwünscht ist

Und statt im Versuch des Ignorierens der partiellen Verstärkung zu erliegen, überlegen wir uns lieber, wie wir unserem Hund vermitteln, dass Anspringen unerwünscht ist. Das können wir ihm dann nämlich jedes Mal erklären und sind nicht gezwungen, peinlichst darauf zu achten, dass uns während des Ignorierens nicht doch eine Regung entfleucht.

Wenn wir unserem Hund also das Anspringen abgewöhnen wollen, kommen wir nicht umhin, ihn auf frischer Tat zu unterbrechen. Unser Ziel dabei sollte sein, dass unser Hund lernt, dass das Anspringen unangenehme Konsequenzen nach sich zieht.

Dabei ist es sehr individuell, was ein Hund als unangenehm empfindet. Deshalb gibt es ja auch nicht DEN einen Tipp. Vielmehr wirst Du ausprobieren müssen, was eine geeignete Konsequenz für Deinen Hund ist.

Beispiele könnten sein:

  • Den Hund deutlich wegschieben und laut „Nein“ sagen
  • Auf dem Absatz kehrt machen, Türe hinter sich schließen und Raum verlassen
  • Hund kurz am Halsband festhalten und auf den Hosenboden setzen
  • Pfoten im Sprung festhalten
  • Sich ganz groß machen und körpersprachlich vermitteln, dass Anspringen eine doofe Idee ist

Nicht jede Unterbrechung passt auf jeden Hund

Es gibt nicht den ultimativen Tipp, der für jeden Hund passt. Weil Hunde und auch Menschen verschieden sind.

Wichtig ist, dass Du eine Unterbrechung findest, die zu Dir und Deinem Hund passt

👉 Wenn mein Hund beim deutlichen Wegschubsen mit noch mehr Dynamik zurückkommt und mich erneut anspringt, dann ist für ihn vielleicht die bessere Option, den Hund am Halsband festzuhalten und scharf „Nein“[3] zu sagen.

👉 Bei einer ausgewachsenen Dogge ist das Festhalten der Pfote eher unpraktikabel 😊

👉 Den Raum zu verlassen und dem Hund damit sozial auszugrenzen kann bei Hunden, denen die Nähe zum Menschen super wichtig ist, funktionieren. Mein eigener Hund würde aber wahrscheinlich eher denken „pffff, mir doch egal“.

Du hast die richtige Unterbrechung dann gefunden, wenn das unerwünschte Verhalten -also die Anspringerei- in der Folge weniger oder gar nicht mehr gezeigt wird.

Unterstütze den Lernprozess Deines Hundes

Du kannst Deinem Hund beim Lernen helfen, indem Du darauf achtest, dass er eine echte und faire Chance hat zu verstehen, was Du von ihm möchtest. Dabei solltest Du auf diese 4 Dinge achten:

Wiederhole die Übung und gib Deinem Hund die Chance, zu lernen, wie er die Konsequenz vermeiden kann

Wir möchten unserem Hund ja beibringen, dass es sich nicht lohnt, uns anzuspringen (denn dann kommt die Konsequenz). Es soll sich aber sehr wohl für ihn lohnen, uns nicht anzuspringen – denn dann bleibt die Konsequenz aus, was einer Belohnung gleichkommt.[4] Das kann unser Hund aber nur lernen, wenn er sich ausprobieren darf.

Für Dich bedeutet das: Wenn Dein Hund Dich anspringt und Du dieses Verhalten durch konsequentes Handeln unterbrichst, dann ist es wichtig, dass Du direkt im Anschluss dieselbe Situation noch zwei-drei Mal mit ihm durchspielst, bis er verstanden hat, dass es keine Konsequenzen hat, wenn er mit allen vier Pfoten auf dem Boden bleibt.

Konkret kann das so aussehen: Du kommst nach Hause und Dein Hund möchte Dich anspringen. Du bist vorbereitet und schiebst ihn deutlich weg von Dir. Dann aber hockst Du Dich hin und streichelst ihn, solange (!) er nicht springt. Wenn er springt, schiebst du ihn wieder deutlich weg, wenn er sich zurücknimmt, wird er gestreichelt. So gibst Du ihm also die Chance, über Versuch und Irrtum herauszufinden, wie er die Konsequenz vermeiden kann.

Die richtige innere Haltung

Hunde sind Meister darin, uns zu lesen. Stimmen unsere Taten und Gedanken (innere Haltung) nicht überein, dann bemerken sie das und nehmen uns nicht ernst.

Klar, denn Hunde kennen keine Situation, in der sie gleichzeitig lächeln und „Arschloch“ denken.

Wir Menschen aber tun so etwas. Für unser gesellschaftliches Zusammenleben mag das Vorteile mit sich bringen. Unseren Hund aber verwirrt so eine Zweideutigkeit.

Deshalb achte darauf, dass Deine innere Stimmung zum Moment passt und dass Deine Gedanken im Moment verharren. Das heißt konkret: Wenn Dein Hund ein unerwünschtes Verhalten zeigt, dass Du unterbinden möchtest, dann ist es wichtig, dass Du auch tatsächlich meinst, was Du tust und sagst. Anspringen also doch irgendwie süß zu finden (innere Haltung) und es gleichzeitig unterbinden zu wollen (Tat) wird nicht funktionieren.

Sei fair! Frage Dich, ob Dein Hund die Aufgabe schon meistern kann.

Erwarte nur das von Deinem Hund, was er auch leisten kann. Wenn Du Deinem Hund gerade das Anspringen abgewöhnen möchtest und um ihn herum laufen noch drei juchzende Kinder, dann ist diese Situation zunächst zu schwierig für ihn. Schaffe also stattdessen lieber eine Lernumgebung, in der Dein Hund eine echte und faire Chance hat, Erwartungen auch zu erfüllen. Wenn Dein Hund es dann leisten kann, kannst Du die Ablenkung im Verlauf der Zeit langsam steigern.

Generalisierung

Bedenke, dass Dein Hund den gesamten Kontext mit in seine Lernerfahrung einbezieht. Klappt es also zu Hause gut und er springt Dich dort nicht mehr an, heißt das noch nicht, dass er auch Oma nicht mehr anspringt, wenn Ihr sie besucht. Diese Situationen müssen separat geübt werden. Ab einem gewissen Punkt lernt Dein Hund, dass Anspringen scheinbar überall unerwünscht ist. Aber bis dahin kann es nötig sein, ihn hier und da nochmals darauf hinzuweisen.

Literaturverzeichnis

Feddersen-Petersen, D. D. (2013). Hundepsychologie. Franckh-Kosmos Verlags-G,bH & Co. KG.
Mazur, J. E. (2006). Lernen und Verhalten.

[1] Feddersen-Petersen, D. D. (2013). Hundepsychologie. S. 258

[2] Mazur, J. E. (2006). Lernen und Verhalten. S.227

[3] Wenn Du bei mir im Junghundekurs (https://fritzundfrida.de/junghundekurs-1) warst, kann es sein, dass Du Dich fragst, ob es um das Verbotswort „Nein“ geht. Das meine ich hier tatsächlich nicht. Mir geht es nur um die Stimmungsübertragung beim Sprechen. Du könntest auch stattdessen „abrakadabra“ sagen 😊

[4] U.A. Mazur, J. E. (2006). Lernen und Verhalten. S.256/257