Warum es wichtig ist, Deinem Hund beizubringen, Frust auszuhalten und wie das geht.

Ich erlebe es immer wieder: Eigentlich nette Hunde, deren Frustrationstoleranz -gelinde ausgedrückt- ausbaufähig ist. Das Paradebeispiel ist Erna. Erna ist 7 Jahre alt und schreit. So richtig laut. Immer dann, wenn Dinge in ihrem Universum nicht schnell genug gehen. Haustür geht nicht zügig genug auf, Erna schreit. Fressen kommt nicht schnell genug, Erna schreit. Besitzerin nicht gleich auffindbar (die Wohnung ist groß!), Erna schreit.

Eine nicht nur für Frau Horst, die Besitzerin von Erna, nervenaufreibende Situation. Auch für Erna könnte das Leben viel entspannter sein. Ist doch blöd, wenn man sich ständig derart aufregen muss.

Ernas Problem ist, dass sie nie richtig gelernt hat, Frust auszuhalten. Frust meint dabei

„[Erlebnis einer] Enttäuschung und [vermeintlichen] Zurücksetzung durch erzwungenen Verzicht oder versagte Befriedigung“[1]

Man könnte sich fragen, weshalb ein Hund überhaupt lernen sollte, versagte Befriedigungen auszuhalten. Schließlich sind doch wir für ihn da und kümmern uns. Na ja, das Hundeleben besteht trotzdem aus sehr vielen Situationen, die ein gewisses Maß an Zurückhaltung seitens des Hundes erforderlich machen. Beispiel gefällig?

  • In den meisten Haushalten müssen Hunde zumindest gewisse Teile des Spazierganges an der Leine gehen: Tataaaaaaaaaaaa Frust. Ordentlich an der Leine zu gehen bedeutet nämlich für den Hund, nicht unbedingt dort hinzugelangen, wo man gerade hinmöchte. Kann man das als Hund nicht ertragen, dient das sicherlich bis zu einem gewissen Grad der Beweglichkeit des Schultergelenkes von Herrchen und/oder Frauchen und danach ganz sicher dem Physiotherapeuten 😉.
  • Als unwahrscheinlich praktisch hat sich auch die Fähigkeit, eine gewisse Zeit allein bleiben zu können, erwiesen.[2] Denn sind wir doch mal ehrlich, einer muss ja die Brötchen verdienen oder wenigstens die Brötchen besorgen. Auch hier ist das Aushalten von Frust („Herrchen und/oder Frauchen gehen und ich kann nicht mit“) wichtig, damit der Hund nicht nur leise, sondern auch entspannt eine gewisse Zeit allein zu Hause bleiben kann
  • Der zuverlässige Rückruf. Ein vielfacher Wunsch vieler Hundehalter und dabei doch die Königsdisziplin. Denn der Rückruf verlangt im Grunde, dass der Hund das was er gerade tut sein lässt (Frust!!!!), weil Herrchen oder Frauchen rufen. Und das wohlwissentlich, dass Herrchen oder Frauchen gerade recht weit weg sind und erstmals nicht viel ausrichten können.
  • Letztes Beispiel: Der Wunsch vieler Hundebesitzer ist es, den Hund überall hin mitnehmen zu können. In der Wunschvorstellung bedeutet das dann beispielsweise, dass man selbst entspannt im Biergarten sitzt und der eigene Hund ähnlich entspannt unterm Tisch liegt. Häufig ist es aber eher so: Man sitzt unentspannt im Biergarten, weil der Hund unter dem Tisch fiept und mault und den anderen vorbeigehenden Hunden mal ganz ordentlich Bescheid gibt, dass sie hier nichts, aber auch so gar nichts verloren haben. Der romantische Sonnenuntergang und das erfrischende Feierabendbierchen werden dann schnell zurückgelassen, weil (sind wir doch mal ehrlich) so eine Situation nervt. Häufig ist es auch hier so, dass eine Besserung eintritt, wenn der Hund sich mehr zurücknehmen kann und ertragen kann, dass er zwar dabei, aber eben erstmal abgemeldet ist.

Und ehrlicherweise geht es ja beim Erlernen einer gewissen Frustrationstoleranz nicht nur darum, Voraussetzungen für das angenehme Leben des Menschen zu schaffen. Es ist doch auf für unsere Hunde gut, wenn sie sich nicht ständig aufregen müssen sondern stattdessen gelernt haben, ruhig und entspannt Situationen anzunehmen und auszuhalten.

Ja ok, verstanden. Und nun?

Im Idealfall lernt der Hund schon als Welpe und in der Welpengruppe, Frust auszuhalten.

Für mich persönlich beginnt eine ideale Welpenstunde erst einmal damit, dass nichts passiert. Jedenfalls für die Hunde nicht. Konkret kann das heißen, dass der Fuß des Halters auf der Leine des Hundes steht, damit der Bewegungsspielraum eingeschränkt wird und die Zuckerpuppen lernen, dass die Anwesenheit von anderen Hunden oder Menschen nicht automatisch und schon gar nicht sofort in eine riesen Party münden. Sich mal zurücknehmen können, das ist das aus meiner Sicht wichtigste Lernziel.

Wenn Du findest, dass Dein Hund trotzdem noch ein bisschen besser mit Frust umgehen könnte, dann nimm Dir mal einen oder zwei Tage Zeit und beobachte Euch beziehungsweise Euer Zusammenleben. Dann kannst Du nämlich nach der Bestandsaufnahme justieren.

Wer bestimmt das Geschehen?

Versuche doch mal genau darauf zu achten, wie oft Du reagierst, wenn Dein Hund etwas möchte.

So soll es ja zum Beispiel Hunde geben, die gerne kundtun, dass bitte JETZT Kuschelzeit ist. Ist es bei Dir so? Ich bin mir sicher, dass er/sie das gaaaaanz charmant macht und beispielsweise seinen/ihren Kopf unter Deine Arme schiebt und extrem treu schaut. Oh Gott, ich weiß, dass das süß ist. Faktisch aber bestimmt Dein Hund die Interaktion. Probiere doch mal aus, was passiert, wenn Du mal nicht direkt die Lieblingsstelle kraulst sondern stattdessen mit dem fortfährst, was Du gerade getan hast.

Kann schon sein, dass dann protestiert wird und versucht wird, die Kuschelzeit mit Getöse oder vermehrter „Kopfunterarmschiebvehemenz“ einzufordern. Wenn wir aber jetzt durchhalten und warten, bis der Hund unser implizites „nein“ akzeptiert, dann haben wir schon ganz viel zum Erlernen einer Frustrationstoleranz beigetragen. Und glaube mir, dieses etwas nörgelige Weggehen und ins Körbchen werfen, das häufig mit so einem „mmmpfhhh“ untermalt wird, bedeutet NICHT, dass ihr weniger geliebt werdet. Und eingeschnappt ist Euer Hund dann auch nicht. 😉

Das Beispiel lässt sich natürlich auch übertragen auf „Hund schaut süß, wir gehen Gassi“. „Hund schaut mit durchbohrendem Blick abwechselnd uns und dann seinen Futternapf an, wir lassen uns erweichen“. Hund bekommt immer nach dem Spaziergang noch ein Leckerli und wenn das mal aus irgendeinem Grund nicht geht, wird er so lästig, dass wir doch in die Dose greifen und eines rausholen“.

All dies einmal bewusst wahrzunehmen und dann zu überlegen, an welche Stellschraube man etwas nachjustieren kann, bringt uns schon ein ganzes Stück voran.

Wer bewegt wen?

Beobachte mal, wie das so ist beim Gassigehen. Klar, so eine grobe Runde und Richtung hat man im Kopf. Wie häufig aber kommt es vor, dass man stehen bleibt, bis der Hund in Ruhe zu Ende geschnüffelt hat. Dass man nach links geht, weil es da nun mal gerade gut riecht und nach rechts, weil da nun gerade Nachbars Frieda vorbeigenagen ist und erstmal ausgiebig erschnuppert werden muss, wie es heute so um sie steht. Und da, da ganz vorn, da kommt doch Rex. Klar, dass wir da zügig hinwollen und müssen, schließlich ist doch Rex der beste Spielkumpel.

Wenn das bei Euch auch so ungefähr abläuft, dann empfehle ich immer ganz gerne, sich während des Spazierganges ein Zeitfenster von etwa 3 Minuten vorzunehmen und innerhalb dieses Zeitfensters mal ausschließlich geradeaus zu gehen.[3] Ohne Stehenbleiben, ohne Schnüffeln an diesem und jenen Busch. Ohne Markieren, ohne Scharren, ohne, ohne, ohne. Klingt leicht? Na, dann los 😉

Meine Erfahrung hat gezeigt, dass das ganz vielen Hundehaltern gerade zu Beginn sehr schwerfällt, weil wir uns schon so daran gewöhnt haben, dass unser Hund zu einem gewissen Grad unsere Gehrichtung und auch Gehgeschwindigkeit bestimmt. Wenn wir das mal nicht zulassen, helfen wir unserem Hund. Denn auch hier lernt er/sie mit frustrierenden Situationen (ich kann gerade nicht tun, was ich möchte) umzugehen.

Wer fiept denn da und tut Frustration kund? Es ist bald nur noch ein anderer Hund!

Zurück zu Erna. Erna schreit ja. Erna ist natürlich -was das Ausmaß der Schreierei angeht- eine Ausnahme. Nur, was bei Erna die Schreierei ist, ist bei vielen anderen Hunden das Fiepen. Fiep, fiep, fiep, ich will nicht liegen bleiben. Fiep, fiep, fiep, können wir bald mal weiter gehen. Fiep, fiep, fiep mir ist langweilig. Und auch das hängt ja mit Frust zusammen.

Weißt Du, was da gemacht werden kann? Wir sind ja eh schon unterwegs, um beim Spaziergang mal drei Minuten geradeaus zu gehen (s.o.). Und jetzt kommts: Die nächste Bank ist uns sicher. Setzt Euch mal auf eine Bank und bleibt da 6 Minuten sitzen. Nur sitzen und eigene Dinge tun. NICHT sitzen und währenddessen den Hund streicheln oder anschauen oder anderweitig beschäftigen. Wenn keine Unmutsbekundungen von unten kommen, dann prima. Könnt Ihr aber von unten ein Fiepen vernehmen, dann wartet nach den 6 Minuten noch so lange, bis das aufhört und Euer Hund entspannt ausschaut. Und erst dann geht es weiter.

Das sind alles natürlich nur Gedankenansätze um das Ertragen frustrierender Situationen zu üben. Du bist der Experte Deines Hundes und ich bin sicher, Du hast viele eigene Ideen, um die Frustrationstoleranz Deines Hundes auszubauen. Eines ist sicher: es lohnt sich! Ich wünsche Dir viel Spaß dabei und freue mich natürlich immer, von Deinen Erlebnissen zu hören.

Beatrice Rosenthal

info@fritzundfrida.de

www.fritzundfrida.de

 

 

Bei all diesen Tipps gilt natürlich:

  1. Es ist nicht aller Tage Abend und es ist doch toll, überhaupt anzufangen
  2. Die Tipps gelten für einen durchschnittlichen, erwachsenen Hund. Welpen bilden eine besondere Ausnahme und können beispielsweise noch nicht minutenlang Frust aushalten.
  3. Bei den Tipps handelt es sich um Beispiele die selbstverständlich nicht abschließend sind.
  4. Probleme sind oft in ihren Ursachen umfangreich und können häufig nicht durch das alleinige Beherzigen der Tipps gelöst werden.
  5. Erna und Frau Horst existieren, heißen aber natürlich weder Erna noch Frau Horst.
  6. Nicht verzagen, Hundetrainer des Vertrauens fragen.

[1] https://www.duden.de/suchen/dudenonline/Frust

[2] Frust aushalten zu können ist selbstverständlich nicht die einzige Voraussetzung für entspanntes Alleinbleiben

[3] Natüüürlich erst nachdem alle wichtigen Geschäfte erledigt sind.