Wenn wir uns einen Hund anschaffen, dann handeln wir immer in der allerbesten Absicht. Wir möchten diesem uns anvertrauten Wesen das bestmögliche Leben bieten.

Die sogenannte „artgerechte Auslastung“ gehört zweifelsohne dazu. Häufig wird damit aber zu früh und in einem zu großen Ausmaß begonnen. Das heißt, dass wir unseren Hunden teilweise Stundenpläne verordnen, die eine der wichtigsten Ecksäulen im Hundeleben, nämlich ausreichend Ruhe und Schlaf, außen vorlassen.

Hunde benötigen 18 Stunden Ruhe pro Tag.

Wie viel Ruhe und Schlaf braucht ein Hund?

Wie viel Ruhe und Schlaf Hunde tatsächlich benötigen, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Meist ist es aber deutlich mehr, als man annimmt.

In meinen Gruppenstunden gebe ich den Welpen-Besitzern immer mit, dass ein Welpe ca. 19-20 Stunden pro Tag ruhen oder schlafen sollte. Für erwachsene Hunde gebe ich als Faustregel an, dass im Durchschnitt etwa 18 Stunden je Tag geruht werden sollten.

Häufig ernte ich daraufhin vollkommen entsetzte Blicke. Viele Hunde geben nämlich meistens gar nicht so viel Ruhe und kommen oft nur auf  12 Stunden Schlaf am Tag. Das ist deutlich zu wenig.

In einer Studie aus den 70ern [1] hat man einmal mit Hilfe von EEG-Aufzeichnungen untersucht, wie es um den Schlaf-Wachrhythmus von Hunden bestellt ist. Das Ergebnis finde ich sehr interessant:

Betrachtet man ein Zeitfenster von 24 Stunden, dann befanden sich die in der Studie untersuchten Hunde nur 12,2% dieser Zeit in einem „hellwachen Zustand“. Der Rest wurde mit Dösen und/oder Schlafen verbracht.

Puh, 12 Prozent – das sind gerade mal 3 Stunden!

Klar, nur 3 Stunden absolute Wachphase ist sehr schwer zu realisieren. Führt man sich diese Zahlen jedoch vor Augen, wird schnell deutlich, dass -im Vergleich zum Menschen- ein deutlich erhöhtes Maß an Ruhe für Hunde notwendig ist.

Warum sind Ruhe und Schlaf wichtig?

Die ersten Experimente zum Schlafentzug bei Hunden wurden 1894 von Marie de Manécine durchgeführt. Dabei ist, ebenso wie in den Experimenten von beispielsweise Kleitmann aus dem Jahr 1927, herausgefunden worden, dass Schlafentzug bei Welpen zum Tode führen kann.

Welche genauen körperlichen Vorgänge dabei ursächlich sind, lässt sich aber schwer feststellen, da Erkenntnisse, die in diesen Studien gewonnen worden sind, heute nicht notwendigerweise so interpretiert werden würden.[2]

Denkt man so über den Schlaf nach, scheint es – Studien hin oder her- , als stünde außer Frage, dass geschlafen werden muss, um einen Organismus am Leben zu halten. Spätere Versuche mit Ratten, denen der Schlaf verwehrt wurde und die daraufhin binnen vier Wochen verstarben, scheinen dies ebenso zu belegen.[3]

Warum das allerdings so ist, das wissen wir selbst heute immer noch nicht. Und dieses Nicht-Wissen bezieht sich keineswegs nur auf unsere Hunde. Auch in Bezug auf Menschen ist bis dato nicht vollends geklärt, welchem Zweck Schlaf nun wirklich dient.

Allerdings hat sich gezeigt, dass es nicht nur diesen einen Zweck gibt. Schlaf „optimiert [nämlich] eine Vielzahl biologischer Abläufe –begonnen beim Immunsystem über das hormonelle Gleichgewicht, die emotionale und psychische Gesundheit, Lernen und Gedächtnis bis hin zur »Entgiftung« des Gehirns.“[4]

Was passiert, wenn mein Hund nicht ausreichend schläft?

Schläft unser Hund nicht ausreichend, dann kann es passieren, dass wir ein hyperaktives Nervenbündel neben uns sitzen haben, das irgendwie unausgelastet SCHEINT.

Und manche Hundehalter gehen dann dazu über, ihren Hund noch mehr zu beschäftigen, damit er endlich mal müde ist.

Die Annahme, dass mein nicht zur Ruhe kommender Hund mehr Auslastung braucht, ist meistens falsch und absolut kontraproduktiv.

Wenn Du mit Deinem Hund mehrere Stunden am Tag spazieren gehst, drei Mal die Woche im Hundesportverein trainierst und Ihr am Abend noch clickert, was das Zeug hält (Jaaaaa, ich übertreibe 😉 ) und Du trotzdem das Gefühl hast, dass er nicht ausgelastet ist, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass er überlastet ist und gar nicht zur Ruhe kommen kann.

Ich weiß, das ist schwer zu glauben. Vielleicht hilft es Dir, wenn Du Dir übermüdete Kinder vorstellst? Die wirken ja auch irgendwie unausgelastet, weil sie umherrennen und Blödsinn machen und irgendwie so gar nicht ausgeglichen sind. Bei Kindern fällt dann schnell auf, dass es bereits 23:00 Uhr ist und der Mittagsschlaf ja auch irgendwie untergegangen war. Und dann kommt man zum Ergebnis, dass das Kind übermüdet ist und ins Bett gehört. Kein Mensch würde schlussfolgern, dass jetzt noch mal eine extra Spielrunde eingelegt wird, damit das Kind endlich schläft.

Und so ist es auch bei Hunden. Ich glaube, wir übersehen das so häufig, weil Hunde entgegen unseres eigenen Tagesrhythmus viel mehr Schlaf benötigen. Wenn man sich aber nochmal die Studienergebnisse von oben vor Augen führt und darüber nachdenkt, wie viel Ruhezeit der eigene Hund denn so hat, wird vielleicht deutlich, dass weniger Beschäftigung eine Lösung des Problems der vermeintlichen Unterauslastung ist.

Entspannter Hund, Fritz und Frida, Hundeschule Starnberg

Meinem Hund fällt es schwer zur Ruhe zu kommen

Dass das Einhalten von Ruhezeiten nicht sofort erfolgreich ist, wenn der Hund vorher eher überbeschäftigt war, glaube ich sofort!

Und trotzdem ist es wichtig, daran zu arbeiten.

Wenn Du Schwierigkeiten hast, Deinen Hund vom Schlafen zu überzeugen, helfen Dir vielleicht diese Tipps:

Schlafplatz

Um zur Ruhe kommen zu können, kann die Wahl des Schlafplatzes entscheidend sein. Es ist hilfreich für Deinen Hund, wenn sein Schlafplatz etwas abgelegen steht, damit der „Durchgangsverkehr“ nicht permanent am Bett Deines Hundes vorbeigehen muss. Außerdem halte ich es für wichtig, dass Dein Hund sicher sein kann, dass er in seinem Bett nicht gestört wird. Wenn Du also zum Beispiel Kinder hast, dann sollten sie lernen , dass Dein Hund, wenn er in seinem Bett liegt, dort auch einen echten Rückzugsort hat und in Ruhe gelassen wird.

Für viele Hunde ist auch eine Hundebox eine gute Option, um Ruhe zu verordnen. Wie Du Deinen Hund an eine solche Box gewöhnst, das liest Du hier (Klick).

Kauen beruhigt

Vielen Hunden hilft es, wenn sie zum Runterkommen etwas kauen können. Meine Lieblingsempfehlung ist der gefrorene Kong [5]. Der Kong lässt sich gut mit Futter füllen und einfrieren. Wenn Dein Hund zur Ruhe kommen soll, kannst Du ihm den gefrorenen Kong in seinem Bettchen geben. Durch das Kauen taut das Futter langsam auf und kann ausgeschleckt werden. Das macht müde.

Die Stimmung

Du kannst Deinen Hund beim Zur Ruhe Kommen unterstützen, indem Du eine ruhige Stimmung vorgibst. Ihr könntet zum Beispiel erst einen entspannten Spaziergang machen. Wenn Ihr dann nach Hause gekommen seid, ist Pause angesagt. Das heißt auch, dass eventuelle (Spiel-)Aufforderungen Deines Hundes ignoriert werden. Denn es ist ja jetzt Ruhezeit.

Es ist gar nicht selten, dass Hunde, die bisher überbeschäftigt waren, durch allerlei Erfindergeist versuchen, den Halter zur Interaktion zu animieren. Wundere Dich also nicht, wenn Du angebellt, angepfötelt oder angeleckt wirst. Wundere Dich auch nicht, wenn Dein Hund Dir sein Spielzeug vor die Füße schmeißt.

Ruhe halten ist für einen Hund, der das nicht gelernt hat, unglaublich schwer. Der gesamte Organismus muss ja erst lernen, wieder zu entspannen. Das kennst Du vielleicht auch von Dir: in den ersten Urlaubstagen ist es häufig super schwierig runterzufahren. Man ist ganz hibbelig und will (?) irgendetwas tun, um dem unruhigen Gefühl nicht begegnen zu müssen. So geht es auch Deinem Hund. Hilf ihm also, indem Du seinem Wunsch nach noch mehr Beschäftigung nicht nachkommst.

Entspannung zu lernen geht übrigens nicht von heute auf morgen. Bitte gib das Projekt „mehr Ruhe und Schlaf“ also nicht nach zwei Wochen auf 😊

Quellen

[1] A. Wauquier, J.L. Verheyen, W.A.W. nvan den Broeck, P.A.J. Janssen. Visual an computer-based analysis of 24h sleep-waking petterns in the dog. Electroencephalography and Clinical Neurophysiology, 1979, 46: 33-48.

[2] A.P. Smith& D.M. Jones. Handbook Of Human Performance. Volume 3 State and Trait, S.238.

[3] Carol A. Everson, Bernard M. Bergmann, Allan Rechtschaffen. Sleep Deprivation in the Rat: III. Total Sleep Deprivation. Sleep 12(1):13-21, Raven Press, Ltd., New York

[4] Robert Stickgolf. Schlaf drüber!. Gehirn&Geist (05-2016) S. 59, S.60.

Übrige Verweise

[5] https://www.amazon.de/Kong-Extreme-Hundespielzeug-Naturkautschuk-bef%C3%BCllbar/dp/B0002AR0II

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